Zum Inhalt springen

Sachbericht der Sommerakademie 2019

Wie wollen wir leben?

Unser Grund und Boden als Gemeingut – Wie wollen wir leben?

Die erste Sommerakademie auf dem Kulturgut Hohenbrünzow konnte dieses Jahr  vom 03.-06.09.2020 stattfinden. Ursprünglich war die Akademie viel größer und länger geplant. Corona setzte uns aber, wie so vielen Veranstaltungen, einen Strich durch die Rechnung. Die Begeisterung für das Projekt innerhalb des Teams und der Ansporn auch in diesen schwierigen Zeiten kulturelle Erlebnisse zu ermöglichen, war allerdings so groß, dass wir diese erste Ausgabe nicht aussetzen wollten und uns für eine kürzere und kleinere Version der Akademie entschlossen. An zwei Tagen fanden also fünf Workshops und zwei nachmittägliche Vorträge statt. 35 Interessierte kamen auf den Hof um gemeinsam, aus verschiedenen Perspektiven, der Frage “Unser Grund und Boden als Gemeingut – Wie wollen wir leben?” nachzugehen und mögliche Antworten zu finden. Die meisten kamen über Freund*innen zur Akademie, einige erreichten wir aber auch durch den ein oder anderen E-mail Verteiler oder die Sozialen Medien!

Im Vorfeld konnten sich die Teilnehmer*innen einen der fünf Workshops aussuchen. Diese nahmen 3 Stunden am Vormittag ein, danach gab es eine Mittagspause und ab 16:00 konnten die Teilnehmer*innen Vorträge in der Scheune besuchen, zusammen mit anderen Interessierten aus der Umgebung. Das nachmittägliche Programm wurde öffentlich und kostenfrei angeboten. In diesem Sinne wollten wir unsere Perspektiven erweitern, und nicht nur Menschen einladen, die 147€ für 3 Tage akademisch angelehnter Workshops ausgeben (können), sondern auch weitere Interessierte. Außerdem sahen wir in diesem öffentlichen Teil die Möglichkeit, die Akademie für die Region zu öffnen und die dortigen Bewohner*innen und Landwirt*innen aktiv teilhaben zu lassen.

Wir wollten Raum für Austausch schaffen und Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen. Die täglichen Verköstigungen und auch der Betrieb der Bar, sowie der Kuchenverkauf nach den Vorträgen konnten diesen Rahmen bieten. Gekocht hat ein wunderbares Küchenteam und das hauptsächlich vegan, mit vegetarischen Optionen. Wir haben eine großzügige Gemüse Spende von der Biolandgärtnerei Querbeet aus Griebenow erhalten und Vieles kam auch aus eigenem Anbau. Unser tägliches Rahmenprogramm, das früh morgens angeboten wurde, bot außerdem die Möglichkeit, den Tag außerhalb der Workshop-Gruppen zu beginnen und interessante Einblicke in weitere Bereiche, wie Meditation, Taijiquan, Functional Fitness und Backen zu erlangen.

Uns war es wichtig, jedem/jeder die Möglichkeit zu geben an der Sommerakademie teilzunehmen, unabhängig von der persönlichen finanziellen Situation. Daher haben wir uns für eine gemeinschaftliche Finanzierung entschieden. Das bedeutet, dass jede/r auf unserer Website den Finanzierungsplan und alle anfallenden Kosten einsehen konnte. Diese Kosten mussten durch Spenden gedeckt werde, damit die Sommerakademie stattfinden kann. Den Teilnehmer*innen wurde ein errechneter Betrag von 147€ vorgeschlagen, der das gesamte Programm, Vollverpflegung sowie den Campingplatz mit inbegriff. Wenn man nur weniger geben konnte, wurde man dazu ermutigt, Freund*innen und Bekannte auf die Veranstaltung aufmerksam zu machen, um so die Realisierung der Akademie zu sichern. Wir freuen uns, dass dieses Experiment so wunderbar gelungen ist und sind demnach überzeugt von dem Prinzip der solidarischen Finanzierung.

Das Herz der Sommerakademie waren natürlich die Workshops, in denen in kleinen Gruppen intensiv das Wochenende über gearbeitet wurde. Um einen kleinen Einblick in die Inhalte der Workshops zu geben, haben wir sie einzeln zusammengefasst und einige Teilnehmer*innen gefragt, ob sie uns von ihren Erfahrungen berichten möchten:

Alexander-Technik

Die Alexander-Technik ist eine Methode, bei der die eigene Wahrnehmung und Achtsamkeit im Alltag wichtig wird und bei der unsere individuellen Reaktionsmuster auf alltägliche Herausforderungen genauer unter die Lupe genommen werden. „Alles möglichst richtig machen“ und „viel tun, damit alles genauestens klappt“ sind Handlungsweisen, die uns zwar stetig begleiten, aber oft mehr Schaden anrichten. Ziel des Workshops ist das bewusste Nicht-Tun, beziehungsweise das Ablegen der Ziel Fixiertheit, um die Achtsamkeit zu stärken. So bezog sich dieser Workshop besonders auf den Untertitel der Akademie “Wie wollen wir leben?”. Der Bezug zum Thema “Unser Grund und Boden als Gemeingut” zeigte sich durch die Zentralisierung auf die Funktionsweise und den Gebrauch der Füße. Angefangen bei unseren Gewohnheiten beim Gehen und unserem ganz individuellen Kontakt zum Boden, trägt dies zu einer elementaren Voraussetzung für eine sichere und nachhaltige Balance im Leben und im Arbeiten bei. 

Gegeben wurde der Workshop von Barbara Blickensdorff. Lange war sie in Berlin im Kunst- und Kulturmanagement, mit eigener Galerie, tätig und kam 2002 durch eigene heilsame Erfahrungen zur Alexander-Technik.

Abschließend der Kommentar einer Teilnehmerin:

„Nach den Stunden im Schloß bin ich den restlichen Tag immer ganz leicht über die Wiesen gewabert. Unsere Übungen hatten so einen direkten Effekt auf meinen Körper! Der Kurs hat das ganze Wochenende zu etwas wirklich besonderem gemacht.

Liebe Grüße nach Hohenbrünzow!

Lilli“

Landart

Der Workshop Landart wurde von dem in Berlin und Jüterbog lebend und arbeitenden Künstler Anton Detlef Baltrock gegeben. Landart beschreibt die künstlerische Arbeit mit vorgefundenen Naturmaterialien, Licht und Schatten. Die Umgebung wird somit das Hauptmedium der künstlerischen Gestaltung. Einmal erstellt, übergibt man das Werk allerdings der Witterung und so verändert es sich stetig. Wir wollten diesen Workshop unbedingt anbieten, da er eine direkte künstlerische Auseinandersetzung mit dem Boden ermöglicht. Themen wie Jagd, Besitz, Raum Markierungen, Grenzen und juristischen Regelungen konnten bearbeitet werden. 

Zu Beginn des Workshops wurde viel gesprochen und diskutiert. So, und mit ein paar ersten Skizzen verbrachten die Teilnehmer*innen also den ersten Tag. Als nächstes galt es, einen geeigneten Ort zu finden und so erkundigten die Teilnehmer*innen das Gelände gründlich, bei Sonnenschein und Regen! Die Wahl fiel auf eine Lichtung hinter dem Schloss und dort erstellten die fünf Teilnehmer*innen gemeinsam, mit vorgefundenen Naturmaterialien, sowie Stoffresten, eine Installation, die man immer noch bestaunen kann. Die natürliche Witterung hat bereits ihre Spuren hinterlassen – ganz im Sinne des Grundgedanken von Landart!

Bei unserer Abschlussrunde wurde das Werk vorgestellt und zu unser aller Freuden haben wir eine Kunsthistorikerin unter uns – Barbara Blickensdorff- die das Werk vor Ort und Stelle analysierte.

Permakultur & Terra Preta

Wir wollten gerne die Einblicke von unseren Teilnehmer*innen zeigen und somit folgt nun ein Bericht von Carolin:

Der Workshop “Bodenfruchtbarkeit und Terra Preta” hatte das Ziel, uns die Bedeutsamkeit des Bodens im Landbau näher zu bringen. Terra Preta wurde dabei als Ansatz vorgestellt, mit dem die Fruchtbarkeit degradierter Böden verbessert werden kann. 

Workshopleiter Simon Günzel begann, indem er in einem theoretischen Teil die Grundlagen der Bodenkunde erläuterte, um alle an das Thema heranzuführen. Anschließend verglichen wir Bodenproben verschiedener Anbaustandorte. Simon ermöglichte uns sogar eine Tagesexkursion in die Gegend rund um Hohenbrünzow, wobei wir nicht nur Boden analysierten, sondern auch viel über die vom großflächigen Pflanzenbau geprägte Region lernten. Unter anderem steht man dort derzeit vor der Herausforderung, die Fruchtbarkeit intensiv genutzter Böden zu erhalten, bestenfalls aber zu verbessern. Immer wieder betonte Simon in dem Zusammenhang, dass sich hohe Humusgehalte und ein intaktes Bodenleben positiv auf die Bodengesundheit und später auch Ernteerträge auswirken. 

Eine Möglichkeit die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern könnte in der Ausbringung von Terra Preta liegen. Indem man die bei einer sauerstoffarmen Verbrennung von Pflanzenteilen entstehende Kohle dem Boden zufügt, können Nährstoffe und  Wasser besser gespeichert werden. Wir stellten deshalb zum Abschluss des Workshops selbst Terra Preta her.

politische Aktionsplanung

Den Workshop “politische Aktionsplanung” wollten wir anbieten, da er eine gute Verbindung von städtischer zu ländlicher Thematik bietet. Die Teilnehmer*innen beschäftigten sich mit der Analyse von bestehenden gesellschaftlichen Strukturen, der Planung politischer Aktionen und verschiedenen Vorgehensweisen zur Durchführung. Der Workshop fand in unserem Bauwagen statt und war verstärkt theoretisch geprägt. Für eine längere Version der Akademie hätten wir uns gefreut, eine eigene politische Aktion im Raum Hohenmocker zu planen. Es gibt also etwas, auf das man sich in Zukunft freuen kann!

Johannes Hecht, Workshopleiter neben Felix Lackus fasst die bearbeiteten Inhalte folgendermaßen zusammen: “Wir haben über Ziele und Perspektiven zu verschiedenen Themen gesprochen. Zwei zentrale Themen haben sich herauskristallisiert, das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper, vor allem von Frauen und die Frage einer Neuentwicklung der öffentlichen Daseinsvorsorge auf dem Land in Vorpommern.

Zu den jeweiligen Themen, wurden konkrete politische Ziele formuliert, um dann anhand der Analyse der politischen Situation (Wirtschafts und Machtverhältnisse, Diskurs Dominanzen) Strategien und Interventionsmöglichkeiten, Kampagnen zu entwickeln, um diese Ziele zu erreichen.

Ganz konkret wurde aus der Gruppe heraus, eine über zwei Jahre dauernde Kampagne entworfen, an deren Ende die Entwicklung eines öffentlichen Dorfzentrums in Hohenbrünzow stand, mit Kindergarten, Grundschule, Kultursaal und Dorfkonsum stand, welches sich unter anderem aus Abgaben, auf die Gewinne der lokalen Windkraftanlagen mitfinanziert werden sollte.”

Zine

Einen Einblick in den Workshop Zine gibt unsere Teilnehmerin Miriam:

Wie wollen wir leben? Gerade in den letzten Wochen und Monaten hat sich mir gezeigt, wie wichtig es ist, sich mit dieser fundamentalen Frage auseinanderzusetzen, seit ein Virus namens Corona unser alltägliches Leben auf den Kopf gestellt hat. Als Ich in Hohenbrünzow ankomme, bin Ich zuversichtlich, dass dies der richtige Ort ist, um Antworten für große Fragen zu finden: alles hier ist groß. Der Blick geht bis zum weiten Horizont.

Hier werde Ich in den nächsten Tagen viele neue Menschen und neue Perspektiven kennenlernen, mit ihnen unter freiem Himmel essen, reden und tanzen, während ein liebevolles Team unter vollem Einsatz um uns herum wirbelt und uns mit köstlichem Essen und einem Rahmenprogramm aus Fitness, Meditation und dem Duft von frisch gebackenem Brot schon von Morgens an verwöhnt.

Der künstlerische Workshop, den Ich gewählt habe, wird von Barbora geleitet. Barbora gibt uns mit dem Zine ein Medium an die Hand, mit dem wir in kurzer Zeit unsere politischen Themen fokussieren und zum Ausdruck bringen können. Die Diskussionen, die wir zu Feminismus, Klimagerechtigkeit oder Migrationspolitik führen sind erfrischend und originell. Barbora beweist ein großes Talent dafür, unser Selbstbewusstsein bezüglich unserer politischen Ansichten hervorzubringen. Sie gibt uns eine Stimme, indem sie uns dabei unterstützt, unsere Gedanken in stimmige Grafiken und Layouts zu übersetzen. Als Ergebnis des Workshops präsentieren wir stolz ein gedrucktes Zine. Mir gefällt besonders gut, dass man darin ein Produkt unserer Zustimmung sehen kann, denn trotz der unterschiedlichen Themen enthält es am Ende eine mögliche Antwort auf die Frage, was wir alle gemeinsam haben.

Podiumsdiskussion

Der theoretische Teil der Sommerakademie wurde am Freitag Abend durch die Podiumsdiskussion in der großen Scheune zum Thema “Grund und Boden in der Landwirtschaft” eingeleitet. Eingeladen wurden vier Landwirt*innen aus der Region. Wichtig für uns war es, verschiedene Perspektiven offen darzulegen und so entschlossen wir uns dafür, konventionelle, sowie Bio Landwirt*innen einzuladen. Moderiert wurde der Nachmittag von Barbara Blickensdorff. Wissenschaftliche Einblicke konnte Dr. Uwe Meier geben, welcher im Gebiet “Ethik in der Landwirtschaft” forscht und publiziert und bereits ethische Standards für den Pflanzenbau entwickelte.

Zentrale Fragen waren unter anderem, 

  1. In welcher Weise hängen Entscheidungen über die Bewirtschaftung der Landflächen von den Besitzverhältnissen und der aktuellen Subventionspolitik ab?
  2. Wem gehört das Ackerland?
  3. Welcher Anteil an der landwirtschaftlichen Produktion aus unserer Region wird exportiert?

Es ging darum, welche Fakten, Gegebenheiten und Ideen derzeit das Handeln der Produzenten und der Konsumenten in der Region bestimmen. Mit Interesse verfolgten alle die auf dem Podium diskutierten Themen und die zweieinhalb Stunden verflogen wie im Nu. Das Publikum konnte sich auch an der Diskussion beteiligen was sehr interessant war, da ca. 40 Leute aus der näheren Umgebung gekommen waren. So kam es zu einem  interessanten und informativen Gedankenaustausch. Fazit für viele Anwesende war, dass das Thema Landwirtschaft viel näher und wichtiger ist, als man zu Beginn denkt. Die Landwirtschaft hat ein ernstes Nachwuchsproblem. Neue kreative andersdenkende Kräfte werden massiv gebraucht und de aktuelle Entwicklung der Bodenpreise steht dem vielerorts im Wege.

Initiativen Runde

Am zweiten Nachmittag gab es einen weiteren theoretischen Input zum Thema „commons“. Organisiert und durchgeführt wurde dieser von Anja Salzer, die sich beruflich mit dem Thema Gemeingut auseinandersetzt, und Franziska Doll, Teil des Vereins Stadtlücken e.V.. Als „commons“ versteht man gemeinsam hergestellte, gepflegte und genutzte Produkte und Ressourcen unterschiedlicher Art. Im Deutschen gibt es dafür das Wort Gemeingüter, welches sich allerdings zu sehr auf die Ressourcen oder Produkte („Güter“) bezieht. 

Um das Thema innerhalb der Region zu verankern und Bezüge zu schaffen, wurden vier Initiativen eingeladen, bei denen gemeinschaftliches Handeln oder Teilen im Fokus liegt. Die folgenden Initiativen nahmen teil: Landkombinat Gatschow, SoLaWi Klein Trebbow, STRAZE Greifswald und Schwundprinzessin. Einführend gab es eine Vorstellungsrunde und es wurde ein erster Überblick zum Thema „commons“ gegeben, orientiert an „commons, commoners, commoning“ (Was sind commons? Wer betreibt commoning? Wie betreibt man commoning?). 

Im Anschluss wurden per Zufallsprinzip Fotos der vertretenen Initiativen aus einer Diashow gezeigt und die vertretende Person konnte spezifische Einblicke in deren Arbeit und allgemeine Ansätze oder detaillierte Geschichten kommunizieren. Aus diesem Ablauf heraus entstand durch Moderation und Fragen eine Unterhaltung und ein Austausch, der die Initiativen untereinander näher brachte und den Zuschauenden korrekte Einblicke in Beispiele von commoning und dessen Umsätzen im Alltag ermöglichte.  Es hat sich gezeigt, wie viele Lebensaspekte Commoning betrifft und wie viele Projekte in Mecklenburg-Vorpommern sich bereits mit diesem Thema auseinander setzen und so Mehrwert für die ganze Region erschaffen.